Starkregen, Hochwasser, Hitze und Trockenheit – das Begrünen der Städte wird gefordert und gefördert, um sie vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Welche Lösungen gibt es?
Ob Fassaden, Dächer oder Freiräume. Vertikal, horizontal oder beides. Mit Solaranlagen, Regenwas-sermanagement, neuartigen Pflanzen, Substraten und Technologien. Das Begrünen der Städte wird gefordert und gefördert, um sie vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Hitze, Wassermangel, trocken Böden machen vor allen Ballungsgebieten zu schaffen. Immer mehr Zuzug, mehr Verdich-tung, versiegelte Flächen, und daher weniger Grün verschärfen die Lage.
Experten aus 29 Ländern haben Ende Juni 2023 auf dem „Weltkongress Gebäudegrün“ in Berlin Lösunen diskutiert.
Klimaneutralität beim Bauen und Betreiben von Immobilien
Christoph Ingenhoven, der mit seinem Team die grüne Fassade und die Dächer der „Calwer Passage“ in Stuttgart plante, stellte in seinem Impulsvortrag seine Haltung zum Thema „supergreen“ dar. Er formulierte dabei Parameter für Klimaneutralität beim Bauen und Betreiben von Immobilien. Dabei solle der Erde diejenige Biokapazität, die durch Bauen zunächst weggenommen wird, über Gebäude zurückgegeben werden. Mit „Extracurricular“ benannte er unter anderem einen Parameter, um die Folgen der Klimaerwärmung mittels resilienter Gebäude aufzufangen.
Der Präsident vom Bundesverband Gebäudegrün(BuGG), Gunter Mann, hob hervor: Nie seien Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünungen so präsent gewesen wie heute. Und noch nie hätten so viele deutsche Städte die Begrünungen mit Zuschüssen gefördert oder hätten je so viele verschiedene Forschungsprojekte dazu stattgefunden. Allein 20 Städte in Deutschland weisen bereits 15 Millionen Quadratmeter Gründachbestand aus, zitierte er aus dem bei dem Event vorgestelltem „BuGG Markreport Gebäudegrün 2022“. Allen voran Stuttgart, Hamburg, München und Berlin. Es gibt demnach deutschlandweit kaum noch eine Stadt ohne ein spezielles Grünprogramm.
Wie sieht es mit der Förderung von Gebäudegrün aus?
Im vergangenen Jahr förderten 121 Städte Initiativen für das Anlegen von Gründächern und 94 Städte Maßnahmen für Fassadengrün. Als größtes und europaweit einmaliges Vorzeigeobjekt gilt nach wie vor der „Kö-Bogen II“ in Düsseldorf. Hier bilden 30.000 Pflanzen eine fantastische Gebäudehülle. Allgemeiner Tenor: Von solchen kreativen Projekten brauchte es noch viel mehr.
Seit 2014 zielt deshalb die Hansestadt Hamburg in ihrer „Gründachstrategie“ darauf ab, mindestens 70 Prozent der Neubauten und für die Sanierung geeignete Dächer zu begrünen. Bis Ende 2024 werden dafür dreieinhalb Millionen Euro Fördermittel zur Verfügung gestellt. Bis Ende Juni 2023 wurden etwa 325 Anträge gestellt und 94.000 Quadratmeter Dachbegrünung bewilligt. Auch Fassadenbegrünung werden seit dem Jahr 2020 gefördert. Die Gründachfläche in Hamburg ist seitdem um 800.000 Quadratmeter gewachsen.
Gründach-Index: Wo es gut läuft und welche Stadt nachsitzen muss
Im BuGG-Gründach-Index liegt Stuttgart (Baden-Württemberg) mit 4,1 Quadratmeter nGründach pro Einwohner auf Platz eins. Deutschlandweit beträgt der Wert durchschnittlich gerade einmal bei 1,1 Quadratmetern. Weit vorn befindet sich auch München (Bayern) mit insgesamt 3.148.043 Quadratmetern Gründach: Auf dem „Werksviertel Mitte“ grasen sogar Schafe, leben Hühner, zwei Hasen sowie sechs Bienen- und zwei Ameisenvölker. In Hochbeeten gedeihen Gemüse und Wildblumen. 2.500 Quadratmeter Grün in 24 Metern Höhe – ein Paradebeispiel. Verwirklicht von Wohnungswirtschaft, Stadtwerken und Privatinvestoren.
Zwingendend Handlungsbedarf sehen die Stadtväter von Frankfurt am Main (Hessen) und präsentieren sich mit dem Programm „Frankfurt frischt auf“. Mehr Grün steht hier als Forderung für jeden Neubau und jede ungenutzte Fläche. Um bis zum Jahr 2035 klimaneutral zu werdeb, wurde ein Klimareferat gegründet. Ähnlich dringend ist es in Dresden (Sachsen) angesichts überhitzter Stadtgebiete, Wassermangels, Überschwemmungen, Baumsterbens, trockener Böden und verdorrter Wiesen. Die Stadt mit dem bislang wenigsten Grün auf den Dächern und an Fassaden plant eine Begrünungspflicht. Es gibt rund 144.000 Gebäude mit 20,3 Millionen Quadratmetern Dachfläche. Davon sind nur 1.358 Häuser auf dem Dach begrünt. Über die Hälfte davon sind privat finanziert.
Deshalb beteiligte sich Dresden am Forschungsprojekt „Heat Resilient City“ des Bundes: Die Hitzeanpassung von Stadtquartieren stand hier im Fokus. Auch Erfurt (Thüringen) macht mit.
Bei all den Initiativen wurde auf dem „Weltkongress Gebäudegrün“ dennoch deutlich: Um die Folgen des Klimawandels zu mildern, braucht es weitaus mehr Maßnahmen und Projekte mit größerer Vision zum Klimaschutz, mehr Konsequenz beim Begrünen von Dächern und Fassaden. Denn diese fehlen noch in großem Maßstab – nicht nur in Deutschland, sondern in allen großen Städten dieser Welt.
Mehr Natur in der Stadt: Projekte vom Bund gefördert
Die Bundesregierung hat im Jahr 2019 den „Masterplan Stadtnatur“ für mehr Grün verabschiedet. Eine zentrale Maßnahme aus dem Programm wurde vor zwei Jahren umgesetzt: Gefördert werden innovative Ansätze für mehr biologische Vielfalt in Städten und Gemeinden. Die Förderrichtlinie mit dem Schwerpunkt Stadtnatur wurde Ende Juli 2021 veröffentlicht. Voraussetzung ist, dass die Kommunen den Anteil an Grün- und Freiflächen im Siedlungsbereich erhöhen und ein ökologisches Grünflächenmanagement einführen.
Dazu gehören unter anderem die Gestaltung und Pflege der Flächen, die Verwendung von gebietseigenem Saat- und Pflanzgut, der Erhalt von Alt- und Biotop-Bäumen sowie der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel und chemische Dünger. Zur Umsetzung der Ziele werden außerdem die Erstellung und Umsetzung kommunaler Strategien zur biologischen Vielfalt oder auch der Einsatz von Biodiversitätsmanagern gefördert.
Quelle: Haufe.de