Viele Kommunen wollen 2022 die Grundsteuer erhöhen

Zwischen 2014 und 2019 haben immer weniger deutsche Städte und Gemeinden an der Grundsteuer-Schraube gedreht, im ersten Corona-Jahr 2020 kam die Trendwende: Jede zehnte Kommune erhöhte den Hebesatz. Und 2022 soll es für Hauseigentümer vielerorts noch teurer werden, wie eine Umfrage zeigt.

Die Grundsteuer ist neben der Gewerbesteuer die wichtigste Einnahmequelle der deutschen Städte und Gemeinden. Im Jahr kommen bundesweit mehr als 14 Milliarden Euro zusammen. Die Grundsteuer – in diesem Fall die Grundsteuer B – wird auf bebaute und bebaubare Grundstücke erhoben und von den Eigentümern bezahlt. Die können sie auf ihre Mieter umlegen. Die Höhe der Steuer wird von den Kommunen über Hebesätze festgelegt.

Wer nicht wolle, dass wichtige Gewerbesteuer-Zahler abwandern, werde zunächst die Grundsteuer heraufsetzen, prognostizierte Mattias Schneider, Leiter des Bereichs Government & Public Services bei der Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY), im Sommer 2021. Während zwischen 2014 und 2019 der Anteil der Kommunen, die den Hebesatz erhöht haben, gesunken ist, kam mit der Coronakrise 2020 die Trendwende: Bundesweit drehte jede zehnte Kommune an der Grundsteuer-Schraube – und laut Schneider dürften die Auswirkungen der Pandemie mit weiteren Verschlechterungen der Finanzlage auch in den kommenden Jahren Grundsteuererhöhungen auslösen.
Wohnen wird teurer: Höhere Abgaben in Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg war der Anstieg der Grundsteuer B nach Angaben von EY bereits im vergangenen Jahr im Bundesvergleich am stärksten. Eigentümer haben 2020 deutlich mehr Grundsteuer gezahlt als zuvor: Im Schnitt wurden 162 Euro fällig, das waren fünf Euro mehr als 2019.

Und im neuen Jahr wird es vielerorts noch teurer. In mehreren baden-württembergischen Kommunen kommen auf Haus- und Wohnungseigentümer einer Umfrage zufolge höhere Abgaben zu. Nach Angaben des Steuerzahlerbunds plant ein Fünftel von mehr als 100 Städten mit mindestens 20.000 Einwohnern eine Steuererhöhung.

Der Chef des Bundes der Steuerzahler, Zenon Bilaniuk, sagte in Stuttgart: „In schwierigen und herausfordernden Zeiten wie diesen sind höhere Steuern definitiv der falsche Ansatz.“ Die Anhebung der Grundsteuer verteure das Wohnen. In manchen Städten steht die Entscheidung über eine mögliche Erhöhung der Hebesätze noch aus.

In Schwetzingen soll der Hebesatz demnach am deutlichsten steigen: Von 400 auf 460 Prozent, gefolgt von Nagold, mit einem Anstieg von 420 auf 470 Prozent und Schwäbisch Gmünd mit 430 auf 470 Prozent. Den höchsten Hebesatz bei der Grundsteuer im Land hätten die Bewohner weiterhin in Tübingen (660 Prozent) und Freiburg (600 Prozent) zu schultern. Am günstigsten sind im Land Biberach an der Riß (200 Prozent) und Ehingen (300 Prozent).
Grundsteuerbelastung pro Kopf: Bremen an der Spitze

Nicht nur in Baden-Württemberg haben Eigentümer EY zufolge im vergangenen Jahr (162 Euro) mehr Grundsteuer gezahlt als 2019 (157 Euro), im Bundesschnitt stieg der Preis um drei Euro auf 172 Euro – und Niedersachsen lag da mit 179 Euro sogar noch darüber.

An der Spitze bei der Pro-Kopf-Grundsteuerbelastung lag 2020 der Stadtstaat Bremen mit 302 Euro, gefolgt von Hamburg mit 260 Euro. Deutlich niedriger als im Westen ist die Grundsteuerbelastung im Osten: So zahlten zum Beispiel in Brandenburg im vergangenen Jahr Eigentümer im Schnitt 108 Euro (Vorjahr 107). In Sachsen, dem ostdeutschen Land mit der höchsten Steuerbelastung, waren es 125 Euro (Vorjahr 123). In Bayern wurden im Schnitt 139 Euro fällig.

In Nordrhein-Westfalen (NRW) haben im vergangenen Jahr knapp zwei Drittel (65 Prozent) der Kommunen die Sätze angehoben, das durchschnittliche Plus lag bei elf Prozent, heißt es in der Studie, die EY im August 2021 vorgelegt hatte – die Grundsteuerbelastung pro Kopf lag dort im Schnitt bei 212 Euro.
Jede dritte Kommune mit plus 400-Prozent-Hebesatz

Von den 50 deutschen Kommunen mit den höchsten Hebesätzen lagen nach Zahlen von EY allein 32 in NRW. Der Durchschnitt belief sich Ende 2020 auf 547 Prozent. NRW-Spitzenreiter war Bergneustadt im Oberbergischen Kreis mit 959 Prozent. Im deutschen Durchschnitt waren es nur 384 Prozent. An zweiter und dritter Stelle folgten Hessen mit 476 Prozent und das Saarland mit 431 Prozent. Bundesweit wies Ende 2020 die Gemeinde Lautertal mit 1.050 Prozent den höchsten Grundsteuerhebesatz auf, gefolgt von Offenbach am Main (995 Prozent), Nauheim und Ringgau (jeweils 960 Prozent) – alle in Hessen.

Der Anteil der deutschen Kommunen mit einem niedrigen Hebesatz zur Grundsteuer B (von unter 300 Prozent) ist gegenüber 2005 von 22 auf vier Prozent im Jahr 2020 gesunken. Im gleichen Zeitraum ist der Anteil der Kommunen mit einem hohen oder sehr hohen Hebesatz (mehr als 350 Prozent) von 20 auf 75 Prozent sprunghaft angestiegen. Jede dritte Kommune in Deutschland hat mittlerweile einen Hebesatz von mehr als 400 Prozent – Tendenz steigend, heißt es in der EY-Studie. Gar keine Grundsteuer zahlen mussten die Eigentümer im vergangenen Jahr in 13 deutschen Kommunen: sieben in Rheinland-Pfalz, fünf in Schleswig-Holstein und eine in Baden-Württemberg.

Im Zuge der Grundsteuerreform müssen die Kommunen ab 2025 die Grundstückswerte neu berechnen. Wer bald wie viel zahlen wird und wie sich die Hebesätze entwicklen werden, ist allerdings offen. Die Unsicherheit bleibt. Erik Uwe Amaya, Verbandsdirektor von Haus & Grund Rheinland Westfalen, sagte Anfang 2021: „Nach dem neuen Grundsteuermodell des Bundes droht Eigentümern und Mietern eine Steuerexplosion.“

EY-Analyse: Entwicklung der Grundsteuer-B- und Gewerbesteuerhebesätze (2005 bis 2020)

Quelle: Haufe

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