Installation einer Lademöglichkeit: Anspruch?

1 Leitsatz

Eine Duldung der eigenmächtigen Installation einer Lademöglichkeit für ein Elektroauto ergibt sich nicht aus § 21 Abs. 5 Nr. 6 WEG a. F. Diese Vorschrift soll lediglich einen gewissen Mindeststandard entsprechend dem Stand der Technik ermöglichen. Ladestationen in Tiefgaragen gehören nicht zum geltenden Mindeststandard.

2 Normenkette

§ 21 Abs. 5 Nr. 6 WEG a. F.

3 Das Problem

Im Jahr 2018 bringt Wohnungseigentümer B eigenmächtig im Wandbereich seiner Tiefgaragenstellplätze eine Wallbox-Elektroladestation an. Die Versorgung der Wallbox erfolgt über Stromkabel. Die anderen Wohnungseigentümer lehnen es ab, die Anbringung zu genehmigen. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geht ferner gegen B auf Rückbau vor. B ist der Ansicht, die Errichtung einer Ladestation habe entsprechend § 21 Abs. 5 Nr. 6 WEG keines Beschlusses bedurft. Der Rückbau stehe außerdem im Widerspruch zum geplanten § 20 Abs. 2 WEG. Aus dem Gesetzgebungsverfahren ergebe sich ein Vertrauen schaffender Tatbestand. Jedenfalls sei das Verfahren hilfsweise bis zum Erlass des Gesetzes auszusetzen.

4 Die Entscheidung

Das LG gibt der Klage auf Rückbau statt! Es handele sich bei der Wallbox um eine unzulässige, den anderen Wohnungseigentümern nachteilige bauliche Veränderung. Die Zustimmung der Miteigentümer zu der baulichen Veränderung sei auch nicht entbehrlich bzw. von diesen zu dulden gewesen. Eine Duldung der Installation der Ladestation ergebe sich nicht aus § 21 Abs. 5 Nr. 6 WEG. Denn diese Vorschrift solle lediglich einen gewissen Mindeststandard entsprechend dem Stand der Technik ermöglichen. Zwar sei B’s Vortrag zutreffend, dass die Schaffung von Ladestationen zur Unterstützung der E-Mobilität auch von der Bundesregierung gefördert werde. Allerdings würden zum jetzigen Zeitpunkt Ladestationen in Tiefgaragen nicht zum geltenden Mindeststandard gehören. Aber selbst dann, wenn die Installation einer Ladestation unter die Norm fallen würde, würde diese keine Ermächtigung zur eigenmächtigen Errichtung einer Ladestation begründen. Etwas anderes gelte auch nicht aufgrund der geplanten WEG-Reform. Durch Gesetzgebungsverfahren werde kein Vertrauenstatbestand begründet.

Hinweis

Der Fall spielt im alten Recht. Im aktuellen Recht wäre die Rechtslage anders. Denn nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG hat jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch auf angemessene bauliche Veränderungen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen.

Überblick:

  • Jeder Wohnungseigentümer kann nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen. Handelt es sich um Maßnahmen, die über die Erhaltung des Sondereigentums hinausgehen, zum Beispiel um die Errichtung einer Lademöglichkeit auf einem Stellplatz, gilt er entsprechend.
  • Der Begriff der „Lademöglichkeit“ ist im Hinblick auf die technische und rechtliche Weiterentwicklung ohne Rückgriff auf die Ladesäulenverordnung oder andere Regelwerke autonom zu bestimmen. In Betracht kommen für Garagenstellplätze zurzeit vor allem die einfache Ladesteckdose (Haushaltssteckdose) und Wallboxen und für den Außenbereich Ladesäulen.
  • Der Begriff „elektrisch betriebenes Fahrzeug“ ist autonom ohne Rückgriff auf das Elektromobilitätsgesetz (EmoG) zu bilden. Erfasst sind neben den im EmoG genannten Fahrzeugen (ein reines Batterieelektrofahrzeug, ein von außen aufladbares Hybridelektrofahrzeug oder ein Brennstoffzellenfahrzeug) etwa auch elektrisch betriebene Zweiräder oder spezielle Elektromobile für Gehbehinderte.
  • Dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen alle baulichen Veränderungen, die es ermöglichen, die Batterie eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs zu laden. Dem Laden dient ferner, was zur Umsetzung von Vorgaben des Messstellenbetriebsgesetzes oder zur Teilnahme an einem Flexibilitätsmechanismus nach § 14a des Energiewirtschaftsgesetzes erforderlich ist. Hierzu gehören z. B. Veränderungen, die zum Einbau und Betrieb der notwendigen Mess- und Steuereinrichtungen erforderlich sind, Veränderungen von Zählerschränken oder die kommunikative Anbindung der Ladeeinrichtung an ein intelligentes Messsystem.
  • Der Anspruch aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG umfasst zum einen die Anbringung eines Ladepunktes oder einer Ladestation an der Wand – „Wallbox“. Er betrifft zum anderen aber auch die „Ladeinfrastruktur“, also die Summe aller elektrotechnischen Verbindungen, Mess-, Steuer- und Regelungseinrichtungen, einschließlich Überstrom- und Überspannungsschutzeinrichtungen, die zur Installation, zum Betrieb und zur Steuerung von Ladepunkten für die Elektromobilität notwendig sind, sowie die „Leitungsinfrastruktur“, also die Gesamtheit aller Leitungsführungen zur Aufnahme von elektro- und datentechnischen Leitungen in Gebäuden oder im räumlichen Zusammenhang von Gebäuden vom Stellplatz über den Zählpunkt eines Anschlussnutzers bis zu den Schutzelementen.
  • Der Anspruch beschränkt sich nicht auf die Ersteinrichtung eines Ladepunktes oder einer Ladestation, sondern betrifft auch deren Verbesserung, z. B. durch die Installation eines Lastmanagementsystems oder die Erweiterung der Hausanschlussleistung.
  • § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG räumt einem Wohnungseigentümer nicht das Recht ein, ein zu ladendes Fahrzeug für die Zeit des Ladevorgangs im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums abzustellen. Ein solcher Anspruch besteht nur, wenn der Wohnungseigentümer das Recht hat, das zu ladende Fahrzeug im Bereich der begehrten Lademöglichkeit abzustellen. Keine Rolle spielt es, ob sich dieses Recht aus dem Sondereigentum, einem Sondernutzungsrecht oder lediglich dem Recht zum Mitgebrauch einer gemeinschaftlichen Abstellfläche ergibt.
  • Entstehen beim Mitgebrauch Kapazitätsprobleme, müssen diese nach allgemeinen Regeln gelöst werden, etwa durch einen Beschluss, der regelt, wann welcher Wohnungseigentümer das gemeinschaftliche Eigentum gebrauchen darf. Dabei sind alle interessierten Wohnungseigentümer gleich zu behandeln, ungeachtet der Tatsache, wie lange sie das gemeinschaftliche Eigentum schon gebrauchen.
  • Ein Wohnungseigentümer erhält durch den Umstand, dass er die Kosten der Installation einer Lademöglichkeit getragen hat, kein Alleingebrauchsrecht an einem bestimmten Stellplatz, der dieser Lademöglichkeit zugeordnet ist. Nicht nur er darf ein Fahrzeug auf diesem Stellplatz abstellen, um dort sein elektrisch betriebenes Fahrzeug beispielsweise jeden Abend wieder aufzuladen. Zwar ist der Wohnungseigentümer, dem eine Maßnahme nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG gestattet wurde, nach § 21 Abs. 1 Satz 2 WEG allein berechtigt, diese zu nutzen. Dieses Alleingebrauchsrecht besteht aber nur für die Lademöglichkeit, nicht für den vor diesem liegenden Stellplatz. Möglich ist es, an dem Stellplatz ein Sondernutzungsrecht zu bestellen oder diesen dem entsprechenden Wohnungseigentümer zu vermieten, solange nicht auch andere Wohnungseigentümer ihr Recht anmelden und durchsetzen, die Lademöglichkeit mitzugebrauchen. Insoweit gelten die vorstehenden Ausführungen zu den Kapazitätsproblemen entsprechend.
  • Die Wohnungseigentümer sind nicht befugt, den Anspruch aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG mit Blick auf beschränkte Kapazitäten etwa der gemeinschaftlichen Elektroinstallationen abzulehnen. Entweder teilen sich in einem solchen Fall alle an der Nutzung interessierten Wohnungseigentümer die beschränkten Kapazitäten oder sie rüsten die bestehenden Elektroinstallationen gemeinsam auf und tragen nach § 21 Abs. 1 Satz 1 WEG die dafür notwendigen Kosten gemeinsam.
  • Die Nutzung und Kostenbeteiligung durch später hinzutretende Wohnungseigentümer regelt § 21 Abs. 4 WEG.

Auch das neue Recht verzichtet auf keinen Beschluss. Auch eine bauliche Veränderung, auf die ein Wohnungseigentümer einen Anspruch hat, ist danach unzulässig. Soweit die übrigen Wohnungseigentümer durch eine bauliche Veränderung nicht über das unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, besteht nach § 20 Abs. 3 WEG allerdings ein Anspruch auf Zustimmung zur baulichen Maßnahme. Dieser Anspruch kann einem Anspruch auf Beseitigung entgegengehalten werden. Dies ist auch bei einem Anspruch aus § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG vorstellbar, nämlich dann, wenn ganz ausnahmsweise eine konkrete Ausführung verlangt werden kann und das Direktionsrecht nicht verletzt ist.

5 Entscheidung

LG Düsseldorf, Urteil v. 4.8.2020, 25 S 134/19

Quelle: Haufe Verwalterpraxis

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